Erste und Zweite Welle der Feministischen Bewegung

Es ist noch gar nicht lange her, als vor 100 Jahren Frauen in Deutschland sich das erste Mal zur Wahl stellen und wählen konnten. Für die Anerkennung dieses Rechts waren in Europa zahllose soziale Bewegungen, wie die Frauenwahlvereine in Deutschland und die Suffragetten in Großbritannien entstanden. Besonders die britannischen Suffragetten, welche aus einer Protestbewegung gegen diskriminierende Hygienevorschriften hervorgingen, stritten mit diversen Mittel für ihre Rechte. So übten sie Widerstand in dem sie Politker mit öffentlichen Fragen in die Zange nahmen, sich an Bahngleise ketteten, Demonstrationen organisierten und auch aus dem Gefängnis durch Hungersteiks ihre Forderungen unterstrichen. Nach und nach radikalisierte sich ein Teil der Bewegung und ging dazu über Briefkästen sowie später auch Kirchen und Landbesitztümer anzuzünden. Als besonders spektakulär gilt der Bombenanschlag auf die Kirche in der sich die britischen Könige und Königinnen krönen ließen, Westminster Abbey. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges führte in den meisten europäischen Ländern,so auch in Großbritannien und Deutschland, zu einem Burgfrieden, der die Wahlrechtskampagnen unterbrach. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges, 1918 kam es in Deutschland zur sogenannten Novemberrevolution in der die Republik ausgerufen und das Frauenwahlrecht anerkannt wurde. Dabei gingen die Forderungen einiger kämpfender Frauen weit über die Forderung nach dem Wahlrecht hinaus. Sozialistinnen wie Clara Zetkin forderten eine egalitäre, sozialistische Gesellschaft, die nur mit der Gleichberechtigung der Geschlechter erreicht werden koenne. In Britannien duften ab 1918 ebenfalls Frauen über 30 mit Eigentum an Grund und Boden wählen, aber es sollte noch 10 weiter Jahre dauern bis auch Frauen, die über kein Eigentum verfügten das aktive Wahlrecht erlangten.
Die ökonomische Diskriminierung der Frauen ging aber auch nach der Erlangung des Wahlrechts weiter. So konnten Männer in der BRD bis 1958 die Arbeitsverträge ihrer Frauen oder Töchter kündigen. Frauen durtfen erst im selben Jahr ihr eigenes Konto führen. Zwar durften sie früher schon arbeiten, aber der Mann oder Vater verwaltete das Geld.
Das Aufkommen der zweiten Welle des Feminismus ab 1968 war gerpägt von der Enttäuschung über das Ausbleiben einer egalitären, feministischen Revolution. Viele Forderungen der Frauen* und homosexuellen Männer* , wie das Recht auf Abtreibung, Schutz vor Vergewaltigung, die vollständige Legalisierung und Entstigmatisierung von Homosexualität, aber auch die Bekämpfung des Patriarchats auf ideologischer Ebene fanden nicht den erhofften Widerhall in der Bewegung der “sexuellen Revolution”. So begannen mühselige Einzelkämpfe, die jedoch einige Resultate erzielten.
So konnte beispielsweise der homophobe Paragraf 175, auf dessen Basis bereits ab 1871 im deutschen Kaiserreich homosexuelle Männer geächtet und bestraft wurden, 1997 endgültig abgeschafft werden. Dieses Gesetz war die juristische Grundlage des Nationalsozialismus für die tausendfache Deportation und Ermordung von Schwulen in Konzentrationslagern.
Ein weiterer Kampf der feministischen Bewegung, für den Schutz vor Vergewaltigung, wurde lange geführt. Noch 1966, entschieden die obersten Richter der BRD (es war keine Frau unter ihnen), dass es die eheliche Pflicht einer Frau sei, den erzwungenen Sex mit ihrem Partner in “Gewährung ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft” zu ertragen, welche es verbiete “Gleichgütligkeit oder Widerwillen zu Schau zu tragen”. Eine Frau die eine Vergewaltigung durch ihren Ehemann anzeigen wollte, hat bei der Polizei praktisch keine Chance darauf, dass das was ihr angetan wurde als Vergewaltigung anerkannt wurde. Als Vergewaltiger wurde nur bestraft wer eine Frau zu “auserehelichem Beischlaf” zwang. Interessanterweise argumentierten die Richter der Nazis 1937 ähnlich an der Sache vorbei als das Reichsgericht entschied: “Eine an sich zulässige Handlung wird nicht dadurch zu einer unzüchtigen, dass sie mit Gewalt vorgenommen wird”. Unzulässig waren sexuelle Handlungen nur dann, wenn sie zwischen deutschen und undeutschen Menschen vollzogen wurden. Wer deutsch und wer undeutsch war, bestimmten die Nürnberger Rassegesetze von 1935. Auch nach einer Reform in der Regierungszeit von SPD und FPD, wurde Vergewaltigung in der Ehe nur als Nötigung also als Vergehen und nicht als Verbrechen gesehen. Der Kampf dagegen wurde weitergeführt. Das Gesetz welches Vergewaltigung in der Ehe als Verbrechen einstufte, wurde erst 1997 beschlossen, also vor 22 Jahren.
Der Kampf um die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und die Möglichkeit auf einen Schwangerschaftsabbruch ist ebenso sehr lange geführt worden und ist auch heute noch nicht abgeschlossen.
Im deutschen Reich wurde, ab Januar 1872, Abtreibung mit einer Zuchthausstrafe von bis zu 5 Jahre, gemäß des § 218 des Reichstrafgesetzbuches bestraft. Seitdem war es für viele Frauen unmöglich, eine Ärztin oder einen Arzt zu finden, die oder der Abtreibung trotz des Risikos einer Bestrafung durchführte. Deswegen sahen sich vor allem Frauen der unteren Schichten gezwungen, den Eingriff von Laien durchführen zu lassen oder ihn selbst zu vollziehen, was nicht selten mit dem Tod endete. Die Frauen der ersten sozialistischen Frauenbewegung sowie einige bürgerliche Kreise kritisierten das Unrecht mit der Parole “Dein Bauch gehört Dir”. Auch nach der Erlangung des Wahlrechts schaffte es das Bündniss aus Ärzt*innen, Schriftsteller*innen, einfachen Frauen* und Linken* (KPD,SPD,USPD) auf parlamentarischen Weg nicht den Paragraphen zu kippen. Während des zweiten Weltkrieges wurde der rechtliche Rahmen deutlich repressiver. Ab 1943 wurden Abtreibungen, die “die Lebenskraft des deutschen Volkes” minderten mit dem Tode bestraft. Gewaltsam erzwungene Abtreibungen bei sogenannten “minderwertigen Rassen” blieben straffrei, hier wurde selektivert wer geboren werden muss/darf und wer nicht. Auch nach der militärischen Zerschlagung des Faschismus in Deutschland blieb der Schwangerschaftsabbruch illegal, Verhütungsmittel stigmatisiert, schwer zugänglich und teuer. Zusätzlich wurde sexuelle Aufklärung verhindert. Paragraph 218 blieb unangetastet.
In den 1960er und 70er Jahren formierte sich die feministische Bewegung erneut und schuf in den Kampagnen gegen den Abtreibungsparagrafen 218 ein breites Bündnis, das inhaltlich auch den Schutz vor (sexualisierter) Gewalt thematisierte. Sie trugen den Protest auf die Straße, verteilten Flugblätter, sammelten Unterschriften, organisierten Busfahrten zur Abtreibung ins liberalere Ausland und forderten die Streichung des § 218, umfassende sexuelle Aufklärung, selbstbestimmte Sexualität und freien Zugang zu Verhütungsmitteln für alle. Der Slogan “Mein Bauch gehört Mir” wurde zum bundesweiten Erkennungsmerkmal dieser Bewegung. Als wichtiges Erreignis für den Kampf in der BRD zählt die Selbstbezichtigungskampagne “Wir haben abgetrieben”, 1971 initiiert von Alice Schwarzer, die über 86.000 Frauen unterschrieben. Die folgenden Anzeigen der Staatsanwaltschaft wurden fallengelassen. > Rote Zora (Reproduktionsdiagnostik, Zwangssterilisationen, Arbeiter*innenkaempfe) 1972 gab es in der DDR eine progressive Gesetzesänderung, die einen Abbruch innerhalb der ersten 3 Monate ohne Beratungsgespräch erlaubte. 1974 wurde auch in der BRD die sogenannte Fristenlösung, nach der ein Abbruch innerhalb einer gewissen Zeit legal war, verabschiedet. Diese wurde nach nur 3 Tagen vom Bundesverwaltungsgericht aber wieder kassiert, da nach Ansicht der Richter “das sich im Mutterleib entwickelnde Leben” Vorrang hatte vor “dem Selbstbestimmungsrecht der Frau”.
1976 verabschiedete die sozial-liberale Bundesregierung ein neues Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch, das sogenannte Indikationenmodell. Nun konnte Frauen in besonderen Umständen Straffreiheit bei einer Abtreibung gewährt werden: Bei medizinischer- (Gefahr für die Mutter), kriminologischer- (Vergewaltigung, Inzest), eugenischer- (Behinderung des Kindes) und „Notlagenindikation“ (psychische und soziale Ausnahmesituationen). War keine dieser Bedinungen erfüllt, blieb der Abbruch illegal und strafbar. Außderm war ein Beratungsgespräche juristisch bindend, diese werden seitdem von “ProFamilia” durchgeführt. Mehrere Initiativen von konservativen und rechten Poliker*innen versuchten einzelne der Indikationen anzugreifen und somit das Recht auf körperliche Selbstbestimmung wieder einzugrenzen. Sie blieben im Großen und Ganzen recht erfolglos, dennoch konnten sie durchsetzen, dass jetzt auch christliche Vereine in der “Beratung” tätig werden konnten.
Nach der sogenannten “Wiedervereinigung” von BRD und DDR gab es Großdemonstrationen von feministischer Seite. Diese forderten erneut die Streichung des Paragrafen 218 und argumentierten für eine Übernahme des progressiveren Gesetzes der DDR (Fristenregelung), welches bespielsweise keine Zwangsberatung vorsah und Frauen einen selbstbestimmten Abbruch innerhalb der ersten drei Monate garantierte. Es mischten sich viele verschiedene Interessensgruppen in die Diskussion ein. So gab es Ärzt*innen und zivilgesellschaftliche Kräfte (Gewerkschaften und Vereine), die sich auf die Seite der Fristenregelung stellten, während sich konservative Kräfte wie die Kirche oder christliche Parteien für eine weitere Verschärfung aussprachen.
1992 wurde die Fristenregelung mit verbindlichem Beratungsgespräch als eine Art Kompromiss verabschiedet. Dieser wurde aber durch eine Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts unter kirchlicher Beeinflussung wiedermals kassiert wurde.
Es galt nun bundesweit ein Kompromiss zwischen Indikationenmodell und Fristenregelung, Paragraf 218 bleibt bestehen. So ist ein Schwangerschaftsabbruch strafbar und nur unter den in Paragraf 218 aufgeführten Gründen straffrei: 1. Innerhalb der ersten 12 Wochen unter Nachweis eines Beratunsgespräches. 2. Wenn durch die Schwangerschaft das Leben oder die köperliche und seelische Unversehrtheit der Mutter bedroht und die Gefahr nur durch einen Abbruch abgewendet werden kann. 3. Wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist (Auch hier ist die Abtreibung nur in den ersten 12 Wochen legal).
Diese Regelung wurde seitdem noch weiteren Angriffen aus dem konservativen Lager ausgesetzt. So sind Ärzt*innen seit 2010 verpflichtet Frauen nach der Diagnose der Schwangerschaft zu beraten und sie auf die Möglichkeit einer psychosozialen Beratung hinzuweisen. Außerdem sind Frauen nun verpflichtet eine 3-tägige Bedenkzeit zwischen Diagnose und Eingriff einzuhalten. Ein weiterer Angriff der konservativen, christlichen und nationalistischen Kräfte findet sich in der Wiederanwendung des Paragrafen 219a, der, wie so viele Angriffe auf die Selbstbestimung von Körper, Sexualität und reproduktiven Rechten, seine Wurzeln in der Nazizeit hat. Ein Paragraf, der 1933 eingeführt wurde und „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche „des Vermögensvorteils wegen“ verbietet. Danach ist der Paragraf lange Zeit in Vergessenheit geraten. Viele Gynäkolog*innen werden aber seit ein paar Jahren wieder angezeigt, wenn sie für Schwangerschaftsabbrüche in ihren Kliniken oder Praxen öffentlich werben. Dahinter standen selbst ernannte LebensschützerInnen, welche die Infrastrukturen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, angreifen wollen. Diese Bewegung agiert weltweit und ist in vielen Ländern mit ihren reaktionären Ideologie am Werk. Im Februar 2019 gab es nun eine Reform des Paragrafen 219a, der trotz massiver Kritik nicht gestrichen wurde. Nun können Kliniken und Praxen zwar angeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, aber sonst keine weiteren Informationen dazu veröffentlichen. Dieser scheinheilige Kompromiss um Paragraf 219a schränkt Frauen in ihrer Informationsfreiheit und ihrer Selbstbestimmung ein. Anstatt die Paragrafen 218 und 219 endlich auf den Müllhaufen der Geschichte zu verdammen, endlich Informations- und Straffreiheit bei Schwangerschaftsabbrüchen (wie in den meisten anderen europäischen Ländern) einzuführen wurde nun ein kompliziertes Verfahren installiert, dass den Zugang zu Informationen erschwert.