Solidarität statt Kapitalismus

Die Corona-Pandemie hat unser aller Leben verändert. Seit einem Jahr nun kämpft die Welt gegen das Virus. Die Defizite des Gesundheitssystems und die soziale Ungerechtigkeit haben sich verschärft. Das autoritäre Krisenmanagement zielt auf unser Leben abseits der Arbeit. Soziale Beziehungen werden dem Profit untergeordnet und eingeschränkt. Ausgetragen wird die Krise wie so oft auf dem Rücken der arbeitenden Klasse. Der Staat unterstützt seine Unternehmen. Wem dann die Gelder gekürzt und die Daumenschrauben angezogen werden ist schon jetzt klar: denjenigen, die sowieso schon finanziel schwächer aufgestellt sind.

Die Regelungen wie der Lockdown oder eine Ausgangssperre, lassen sich in einer geräumigen Villa deutlich leichter ertragen, als in der beengten 2-Zimmer-Wohung in der Platte. Wir sitzen immer noch im Betrieb, am Fließband, im Callcenter oder Lieferwagen. Wir ackern ununterbrochen im Krankenhaus, auf Intensivstationen, an den Supermarktkassen oder im Pflegeheim und werden dafür lediglich mit Beifall oder Stollen “entschädigt”. Wir fordern stattdessen, dass die Organisierung des Arbeitsschutzes von uns Arbeiter*innen selbst verantwortet wird. Wir kennen die Arbeitsabläufe besser als das Management und können uns selbst besser schützen. Erwerbslose Menschen werden vom Jobcenter oft alleine gelassen, ein paar Masken helfen da auch nicht viel weiter. Wir sagen: Danke für nichts!

Über 600 000 Menschen in Deutschland haben durch die Krise ihren Job verloren, mehrere Millionen Menschen wurden in Kurzarbeit gesetzt. Die 189 deutschen Milliardär*innen steigerten hingegen ihr Vermögen innerhalb eines Jahres von 500 auf 595 Milliarden Euro. Währenddessen fehlt es an anderen Stellen massiv an Geld. Wie kann es sein, dass die Bundesregierung es nicht geschafft hat, eine vernünftige Digitalisierung der Schulen durchzuführen? Viele Azubis müssen auf Grund der Schulschließungen stellenweise 40 Stunden im Ausbildungsbetrieb arbeiten und nebenbei von zu Hause aus die Schule managen. Die Krankenhäuser sind auch extrem überlastet, hier zeigt sich wie unsinnig es ist, alle Bereiche des Lebens profitorientiert zu gestalten.

Nie war deutlicher, dass die Wirtschaft über den Menschen steht.
Dieses System produziert Ungerechtigkeiten am laufenden Fließband. Immer noch dürfen Spekulant*innen Häuser leerstehen lassen, während mehr als 678 000 Menschen in Deutschland keine Wohnung haben um sich zurückzuziehen. Ganze Stadtteile verändern innerhalb von ein paar Jahren ihren Charakter. Sie werden zur Kapitalanlage einiger weniger. All dies ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Der Kapitalismus ist ein nicht tragbares und unmenschliches System, welches viel zu lange schon seine gierigen Finger nach allem ausstreckt, dem es habhaft werden kann. Wir werden nicht tatenlos dabei zu sehen, wie unsere Zukunft verkauft und bespuckt wird!

Die Zumutungen dieses Systems treffen uns als Einzelne. Uns wird weisgemacht, dass wir selbst an unserer Situation schuld sind. Wir sind überzeugt die Probleme lassen sich nur gemeinsam angehen. Wir können uns nur selbst helfen. Organisiert euch in euren Nachbar*innenschaften! Bildet solidarische Netzwerke, Banden und Gewerkschaften! Helfen wir uns gegenseitig in Krisenzeiten!

Für eine Gesellschaft in der die Gesundheit aller wichtiger ist, als der Profit einiger Weniger!
Für eine Zukunft ohne Ausbeutung!
Fight for your Future!

„Vergiss die Bullen, die helfen dir nicht weiter“ – Unsere Einschätzung zum 07.11.2020

Wir sind nicht erstaunt vom Verlauf, den die Demonstration aus VerschwörungsideologInnen, New Age CoronachauvinistInnen, rechtsradikalen Hooligans und der rechten „Mitte“ der Gesellschaft am 07.11 genommen hat. Vorweg: Wir fordern keinen „starken Staat“ gegen Veranstaltungen wie die am Wochenende. Wir versuchen, das Ungleichgewicht und die Unverhältnismäßigkeit der Polizeieinsätze gegen rechte und linke Demonstrationen herauszustellen.

Wochenlang wurde von mehr oder weniger bekannten VerschwörungsideologInnen, Rechtsextremen, Parteien wie der AfD oder der NPD und totgeglaubten Gruppen wie Legida zu einer Großdemo auf dem Leipziger Augustusplatz mobilisert. Nachdem die Stadt und das Leipziger Verwaltungsgericht für eine Verlegung auf die Neue Messe stimmten, erlaubte das OVG Bautzen kurzfristig am Samstag Morgen die Kundgebung gegen die Coronamaßnahmen auf dem Augustusplatz. Ob eine andere Entscheidung des OVG die CoronachauvinistInnen aufgehalten hätte, ist mehr als fraglich. Bereits in den Tagen und Wochen vor der Veranstaltung wurde dazu aufgerufen, gegen die vorgegebenen Auflagen zu verstoßen: keine Masken tragen, gefälschte Atteste, keine Abstände, angebliche Geschäftsreisen und eine Demo über den Ring. Die Polizei hatte das Geschehen von Anfang nicht kontrollieren können – oder, was wir für wahrscheinlicher halten, nicht kontrollieren wollen. Im Vorfeld zur Demonstration konnten wir im gesamten Stadtgebiet ein stark erhöhtes Aufkommen von Autos und DemonstrantInnen aus dem ganzen Bundesgebiet wahrnehmen. Viele der CoronachauvinistInnen reisten aus Baden-Würtenberg, Bayern und NRW an. Die Zusammensetzung war durchaus von Auswärtigen bestimmt. Dazu kommen noch viele zugereiste CoronachauvinistInnen, die aus dem Landkreis Leipzig und aus dem ländlichen Sachsen anreisten. Ihre bundesweite Mobilisierung, die nach und nach verschiedene Städte trifft, soll das Bild vermitteln, sie würden so etwas wie eine Mehrheit in den jeweiligen Städten vertreten. Das ist natürlich Propaganda und Quatsch. Wenn sie etwas vertreten, dann die Mehrheit der Neu-Infektionen und die Verantwortung für eine gesteigerte Übersterblichkeit in den nächsten Tagen und Wochen. So wie sie in Berlin keine Millionen Leute waren, so wie sie in München keine Revolution gestartet haben, so wenig haben sie Leipzig „erobert“. Außerdem konnten wir Gruppen von ganz klar Rechtsradikalen erkennen, die sich versammelten und in Gruppen durch die Stadt zogen. Es gab mehrere Kundgebungen auf denen rechtsradikale Inhalte, gemischt mit esoterischer Rhetorik, verbreitet wurden. Zur Kundgebung auf dem Augustusplatz fanden sich laut Durchgezählt rund 45.000 dieser Leute ein.¹

Nachdem die Kundgebung gegen 15:30 Uhr wegen zahlreichen Verstößen gegen die Auflagen (Überraschung!) für beendet erklärt wurde, formierte sich ein Demozug, angeführt von mindestens 100 offensichtlich gewaltbereiten RechtsextremistInnen und Hooligans. Darunter befand sich auch eine Gruppe Hooligans um Benjamin Brinsa, die sich aus dem Umfeld von Lok Leipzig und Lazio Rom zusammensetzten.² Nachdem in der Nähe des Wintergartenhochhauses und des Hauptbahnhofs mehrmals die Polizeiketten durchbrochen, angegriffen und mit Pyrotechnik und Flaschen beworfen wurden, gab die Polizei offensichtlich auf und ließ tausende CoronachauvinistInnen angeführt von Neonazis um den Ring und durch die Innenstadt ziehen. Begründung: Man habe auf Deeskalation setzen wollen. Im Zuge dessen wurden Journalist*innen, Antifaschist*innen und andere von Neonazis durch die Straßen gejagt und verprügelt.³ Die Polizei stand daneben und sah zu, einer zeigte der Menge aus dem Lautsprecherwagen den Daumen hoch⁴, der Gegenprotest am Roßplatz wurde grundlos gekesselt. Dafür waren anscheinend genug Einheiten verfügbar.
Schweres Gerät in Form von mindestens zwei Räumpanzern und vier Wasserwerfern waren hingegen in geringer Distanz zu Connewitz an der Pferderennbahn abgeparkt. Wir sind überzeugt: hätte es sich um eine linke Demonstration auf dem Ring gehandelt, hätte die Polizeileitung nicht gezögert, diese Gerätschaften einzusetzen. Und tatsächlich kamen Wasserwerfer und Räumpanzer dann am Abend in Connewitz zum Einsatz, um Antifaschist*innen, die ihre Projekte und Freund*innen vor einem angekündigten Naziüberfall schützen wollten, zu drangsalieren. Am Sonntag war die Polizei dann wieder mit gewohnt wenigen Kräften bei der Kundgebung der CoronachauvinistInnen am Völkerschlachtdenkmal. Ohne Maske konzentrierten sie sich dort vor allem auf die Festnahme von angegriffenen Journalist*innen und das Lesen von verschwörungstheoretischen Flyern.⁵ In der anschließenden Pressekonferenz des Ministerpräsidenten und des Innenministers verurteilte man hauptsächlich die
„Ausschreitungen“ in Connewitz und lobte das großartige Vorgehen der Polizei. Zu den Ereignissen in der Innenstadt verlor man jedoch kein Wort.⁶ Wir müssen davon augehen, dass hier bewusst gelogen wurde. Funfact: Kurz vor der Pressekonferenz hatte Ministerpräsident Kretschmer Kontakt zu einer Person, die nachweislich positiv auf das Corona-Virus getestet wurde. Quarantäne? Fehlanzeige!⁷

Wieso war eine solche Veranstaltung und die daran anschließenden Ausschreitungen gerade hier möglich?
Warum wurde diese Veranstaltung genehmigt, während Gedenkdemonstrationen in Hanau oder zum 09.11. aus Infektionsschutzgründen abgesagt werden?
Das liegt zum einen an den politischen Gegebenheiten im Bundesland Sachsen, dessen Polizei und der Polizeibehörde Leipzig. Dazu kommt die Mobilisierungskraft in rechtsradikalen und Hooligankreisen, die vor Jahren schon als Teil von „Legida“ (=1A Faschistenpack) hier durch unsere Stadt zogen und (auch im Zusammenspiel mit der Polizei) versuchten, ihren Terror auf die Straße zu bringen. Dass es in der Polizei allgemein und konkret in Sachsen und Leipzig Sympathie für, und Kontake mit, Rechtsradikalen gibt, ist bekannt.⁸ Wenn rechtsextreme Mörder durch verwandte Polizisten vor Hausdurchsuchungen gewarnt werden (siehe Kamal K.) und Polizisten sich in Namenslisten mit den Namen der NSU-Terroristen eintragen, wird deutlich, wo deren Sympathien liegen.⁹ Wenn es für die Rechten und Nazis Verständnis und Rosenblätter gibt, gibt es für Linke, Autonome und Alternative Hass, Gewalt und Verachtung. Wir haben die Misshandlung einiger junger Menschen auf dem Polizeiposten in Connewitz nicht vergessen.¹⁰ Dieser Vorfall wurde nie richtig aufgeklärt.

Zu lange ist die Liste der sogenannten Einzelfälle, um sie hier vollständig vorzulegen. Aus unserer Sicht ist klar: die Cops sind auf dem rechten Auge blind. Wir müssen dazu nur die Pressemitteilungen vom 07.11 und von bspw. Silvester letzten Jahres vergleichen. Schnell zeigt sich: rechte Gewalt wird verharmlost, Journalist*innen werden so zur Zielscheibe. Linke Gewalt wird aufgebauscht und es soll das Bild vermittelt werden, dass die Cops hier um ihr Leben fürchten müssen. Aus einer Verletzung am Ohrläppchen wird so eine „Notoperation“.¹¹ Hinter der Kommunikationstrategie oder Polizei steht ein politisches Kalkül. Repressionschläge gegen die linke Bewegung sollen legitimiert werden, während systematisch rechte Netzwerke verharmlost und totgeschwiegen werden.
Für uns ist klar: wäre am 07.11. eine linke Demonstration nach offizieller Auflösung durch die Ordnungsbehörden um den Ring gelaufen, hätten die Cops ihr teures Spielzeug auffahren lassen. Es hätte Tränengas (wie z. B. nach der Räumung der Luwi), Räumfahrzeuge und Wasserwerfer (wie später am 07.11.) und einen Knüppeleinsatz (wie bspw. bei den Gegenprotesten zu Legida) gegeben.
Auch gehen wir davon aus, dass den verantworlichen Stellen eine Öffentlichkeitsfahndung im Stil der G20 Proteste nicht in den Sinn kommt. Schließlich ist das Interesse an der Verfolung rechter StraftäterInnen mit dem Verfolgungswahn auf linke Strukturen nicht vergleichbar. Erst am 05.11. gab es in Connewitz zwei Hausdurchsuchungen, die in die Verhaftung unserer Genossin Lina mündeten.¹² Von den hunderten untergetauchten Neonazis hat die Polizei angeblich weiter keine Spur.

Wenn hier von den Verantwortlichen davon gesprochen wird, dass ein Wasserwerfereinsatz oder auch nur der Einsatz von körperlicher Gewalt als unmittelbarer Zwang, nicht verhältnismäßig gewesen wäre, weil die Versammlung ja größtenteils aus friedlichen Rentnern und Kindern bestanden hätte, ist das entweder planlos oder vorsätzlich falsch. Die vorderen Reihen bestanden aus gewaltsuchenden erwachsenen Männern¹³, die Journalist*innen, Antifas und sogar Polizist*innen angriffen. Wir kennen die Polizei nach Angriffen auf sich selbst sonst als nicht so zimperlich.
Auch die komplette Weigerung dem siegestrunken feiernden Mob in der Innenstadt einhalt zu gebieten, geschweige denn mal ein paar Verstöße gegen die CoronaSchutzVerordnung aufzunehmen, sagt viel über die Prioritätensetzung der Einsatzleitung an diesem Tag aus. Denn in Connewitz war sich die Polizei nicht zu blöd, nachdem sie den Nazis in der Innenstadt alles hat durchgehen lassen, mal so richtig zu zeigen, was man eigentlich alles als Verstoß gegen die Verordnungen ahnden kann. So wurden nachts in Connewitz noch 140 Ordnungswidrigkeiten geahndet, während man tagsüber in der Innenstadt keine einzige Ordnungswidrigkeit verfolgte. Wir schreien nicht nach einem starken Staat. Allerdings ist die Polizei theoretisch an das Gleichbehandlungsgebot gebunden. Sie müsste, um rechtsstaatskonform zu agieren, alle gleich behandeln. Wenn aber Nazis, Hools, und Coronachauvis in Ruhe gelassen oder sogar bestärkt werden, weil man das Recht nicht gegen sie durchsetzen könne (mit 3000 Cops und 4 Wasserwerfern in der Stadt eher unglaubwürdig), dann überrascht es doch sehr (falls man noch an diese Gebote der Rechtsstaatlichkeit glaubt), wenn dann auf einmal mehrere Hundertschaften da sind, um eine Gegenkundgebung, die komplett friedlich war, zu kesseln und nachts schweres Gerät in Connewitz zum Einsatz kommt.

Wir warnen an dieser Stelle ausdrücklich vor einer rechten Hegemonie in den sächsischen „Sicherheits“behörden. Im Zusammenhang mit den Erkenntnissen aus dem Hannibal-Skandal und den Uniter-Verzweigungen in der ganzen BRD rückt die Möglichkeit einer rechten Machtübernahme durch Gewalt immer näher. Es braucht ein entschiedenes Einschreiten von links, aus der Mitte der Gesellschaft und eine Thematisierung durch die Medien um dieses Szenario zu verunmöglichen. Wir appellieren hier ebenfalls an die liberal-demokratischen Schichten ihre Zuschauerplätze zu verlassen und sich einzumischen. Wir wissen das es wenig verändern wird, aber trotzdem forden wir Konsequenzen für die Verantwortlichen. Nach verschiedenen Skandalen um die sächsische und speziell um die Leipziger Polizei, wie etwa der Fahrradskandal, Verstrickungen mit rechten Akteuren, Gewaltexzessen etc., ist es an der Zeit, Roland Wöller und Torsten Schulze zum Rücktritt aufzuforden.

Viel Kraft wünschen wir den Genoss*innen, die nach Samstag Repression zu erwarten haben. Danke an alle, die Samstag Nacht dafür gesorgt haben, dass die FaschistInnen, wenn sie versucht hätten, wieder in Connewitz einzufallen, auf Widerstand gestoßen wären.

Rechten Terror bekämpfen!
Defund the police!
Freiheit für Lina und alle anderen!
Fight for your future!

Anmerkung: Wir sprechen uns klar gegen die von Innenminister Wöller geforderte Einschränkung des Versammlungsrechts aufgrund der Corona-Pandemie aus. Außerdem halten wir es für notwendig, die Corona-Maßnahmen kritisch zu hinterfragen. Trotzdem sind wir uns der Gefahr, die von dem Corona-Virus für die Bevölkerung ausgeht, bewusst und versuchen, die Verbreitung so gut wie möglich einzudämmen.

CoronachauvinistInnen: Menschen die auf die Gesundheit anderer scheißen um ihre von antisemitischen, rassistischen und autoritären Verschwörungsideologien triefende politische Einstellung in einer Art „Kulturkampf“ gegen die demokratische, liberale und linke bis linksradikale Bevölkerung durchzusetzen.

Wir verwenden bei rechten TäterInnen das Binnen-I, da es laut ihrer Ideologie/Selbstverständnis lediglich zwei biologische Geschlechter gibt. Das „*“ verwenden wir bei allen weiteren Akteur*innen, um die in der Gesellschaft verankerte Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeit aufzubrechen.

¹ Angaben von Durchgezählt: https://twitter.com/durchgezaehlt/status/1325089227529400320?s=20
² Beteiligung von Brinsa & Co.: https://twitter.com/fussballterror/status/1325203931752902663?s=20
³ Angriffe auf Journalist*innen: https://twitter.com/JFDA_eV/status/1325108548485967880?s=20
⁴ Daumen Hoch der Polizei: https://twitter.com/shelly_pond/status/1325162046330171392?s=20
⁵ Festnahme von Journalist*innen: https://twitter.com/simon_brgr/status/1325396021158039558?s=20
⁶ Pressekonferenz des Ministerpräsidenten und des Innenministers: https://www.youtube.com/watch?v=DEgdY1xQeNU&feature=youtu.be
⁷ Kretschmers Kontakt zu positiv getestetem Abgeordneten: https://twitter.com/WDRaktuell/status/1325775190069026816?s=20
⁸ Verbindungen der Polizei Leipzig zu einem NPD-Kader: https://www.hintergrund.de/politik/inland/leipzig-leaks-polizisten-pflegen-kontakte-in-die-neonazi-szene/
⁹ Namen der NSU-Terroristen in Namensliste: https://www.abendblatt.de/politik/article215444955/Deckname-Uwe-Boenhardt-Saechsische-Polizei-unter-Druck.html
¹⁰ Misshandlung von Jugendlichen in Connewitz durch die Polizei: https://www.lvz.de/Leipzig/Polizeiticker/Polizeiticker-Leipzig/Sprayer-Affaere-in-Connewitz-Ermittlungen-dauern-an
¹¹ Ereignisse von Silvester: https://taz.de/Gewalt-in-Leipzig-Connewitz-an-Silvester/!5650003/
¹² Hausdurchsuchungen und Festnahme in Connewitz: https://freiheitfuerlina.noblogs.org/
¹³ Erste Reihen: https://twitter.com/tiisbosbi/status/1325737298537885697?s=20

Aufruf zur Demo „Niemand ist vergessen, Nichts ist vergeben!“ und zum Jugendblock am 24. Oktober 2020, 16:30 Uhr Südplatz

Vor zehn Jahren, in der Nacht vom 23. zum 24. Oktober 2010 wurde Kamal K. von Nazis ermordet. Gerade einmal 19 Jahre alt wurde Kamal, bevor er nahe des Leipziger Hauptbahnhofs erstochen wurde. Unter dem Motto „Niemand ist vergessen, Nichts ist vergeben!“ wollen wir gemeinsam an diesen Mord und alle anderen rechten Morde erinnern.
Schauen wir uns die letzten zehn Jahre an, ist eine traurige Kontinuität, wenn nicht sogar eine Steigerung rechter Gewalttaten zu erkennen. Diese richten sich nicht nur gegen Migrant*innen, Menschen mit Behinderungen, Jüd*innen, queere Menschen oder Antifaschist*innen, sondern auch gegen Wohnungslose und sozial benachteiligte Menschen. 
Seit 1990 wurden in Deutschland mindestens 42 Menschen aus sozialdarwinistischen Motiven von Rechtsextremen ermordet. Zu den Opfern gehört auch Karl-Heinz Teichmann, der 2008  in der Leipziger Innenstadt von einem Nazi angegriffen wurde. Der 59-jährige, der nahe des Schwanenteichs auf einer Parkbank schlief, verstarb 2 Wochen nach dem Angriff im Krankenhaus. Der 18-jährige Täter, der sich zum Tatzeitpunkt auf dem Heimweg von einer rechten Mahnwache befand, wurde 2009 wegen heimtückischen Mordes zu einer Haftstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Tat wurde vom Gericht nicht als rechtsextrem motiviert eingestuft, obwohl der Verteidiger des Täters einen rechten Hintergrund bestätigte. Das ist kein Einzelfall!
Um die Ausmasse der rechten Gewalt verstehen zu können, müssen wir auch auf die Akzeptanz rassistischer und sozialdarwinistischer Ideologien bei der deutschen Polizei eingehen. In vielen Fällen sind diese menschenfeindlichen Einstellungen Motiv für Gewalttaten, falsche Anschuldigungen und in einigen Fällen sogar Mord. 
Viele werden den Fall Oury Jalloh kennen, der 2005 auf einer Polizeiwache in Dessau ermordet wurde. Die Geschichte ist bekannt: Oury Jalloh starb an schweren Verletzungen, die er sich selbst nicht antun konnte und wurde danach in der Zelle 5 des Dessauer Polizeireviers verbrannt. Es folgten Jahre der Verschleierungs- und Vertuschungstaktiken, die vermutlich von den höchsten Stellen des Inneministeriums von Sachsen-Anhalt geduldet und gefördert wurden. Der deutsche Staat schützt seine Täter*innen in Uniform. 
Der weniger bekannte Teil der Geschichte über die Dessauer Polizeistation: bereits 3 Jahre zuvor starb auf der selben Wache, in der selben Zelle wie Oury Jalloh, ein wohnungsloser Mann namens Mario Bichtemann. Er wurde mit einem Schädelbasisbruch aufgefunden. Ein strafrechtliches Verfahren gegen den Dienstellenleiter Andreas S. wurde eingestellt. 
Dieser war auch schon Leiter der Polizeistelle in der Wolfgangstraße 25, als 1997 der erwerbslose  Hans Jürgen Rose dort seinen gewaltsamen Tod fand. Alle drei Ermordeten waren in angetrunkenem Zustand verschleppt und sadistisch verletzt worden. Sie waren leichte Ziele für die TäterInnen, die bis heute vom Korpsgeist der Polizei und dem Unwillen der Justiz, rechte TäterInnen zu verfolgen, geschützt werden. Wenn von den Sicherheitsbehörden eine so akute Gefährdung der sozialdarwinistisch stigmatisierten Bevölkerung ausgeht und für TäterInnen ein Klima der Straffreiheit herrscht, so spielt dass in die Hände derer, die ihre menschenverachtende Gewalt gegen vermeintlich schwache soziale Gruppen in der Gesellschaft ausleben. 
In der aktuellen Diskussion um die Unterwanderung der deutschen Polizei durch Rechtsradikale wird nur allzu oft vergessen wie viele Menschen schon im Umgang mit der Polizei ums Leben gekommen sind, weil sie nicht in ein Bild von deutschen RassistInnen und SozialdarwinistInnen passten.  Wer keine Wohnung hat, wer keine Arbeit nachgeht, wer nicht aussieht wie die Rechten das erwarten um einen als Menschen anzuerkennen, lebt gefährlich in diesem Land.  Wir müssen an diese Menschen erinnern, die der rechte Konsens in diesem Land totgeschweigen möchte. Es ist an uns, das poltische Klima in diesem Land zu verändern, dem schon so viele Menschen zum Opfer gefallen sind. Der rechte Konsens ermöglichte es dass der NSU, Stiefelnazis und rechte Polizist*innen jahrelang morden konnten. Auch wenn der deutsche Staat Opfern wie Lübcke gedenkt und die anderen Toten am liebsten totschweigen möchte: für uns gibt es keine Opfer erster und zweiter Klasse. Wir erinnern uns an all die Opfer rechter Gewalt, ihr Tod ist für uns eine Warnung vor den Zuständen in diesem Land. Wer nicht in das Bild eines wohlhabenden und weißen Menschen passt, zählt für diesen Staat eben weniger. 
Die Wohnungs-  und Erwerbslosen, die ärmeren Schichten der Gesellschaft werden stigmatisiert und können sich nicht auf die Unterstützung des Staates verlassen. Sie werden als Aussätzige von den Behörden klassifiziert und von der Mehrheitsgesellschaft so betrachtet. Die aktuelle Coronakrise verschlimmert die Situation, in der sich wohnungslose und sozial benachteiligte Menschen befinden, noch weiter. Der Aufforderung, zuhause zu bleiben, können sie nicht nachkommen. Selbst das regelmäßige Händewaschen ist eine Herausforderung. Hilfsangebote und Notunterkünfte müssen wegen der Krise oft geschlossen bleiben.  Wiedereinmal zeigt sich, wer in diesem Land etwas wert ist: für große Unternehmen, wie die Lufthansa blättert der Staat unglaubliche Summen hin und für den Mittelstand fällt auch einiges an Steuergeldern ab. Doch was ist mit den 50.000 Menschen die in Deutschland „auf der Straßeschlafen müssen? Der Teufelskreis „keine Wohnung – kein Job – kein Job – keine Wohnung“ ist für viele nicht zu durchbrechen. Jedes Jahr erfrieren Wohnungslose auf den Straßen, sie sind chauvinistischen Übergriffen ausgeliefert und werden vom privaten und staatlichen „Sicherheitspersonal“ wieder und wieder vertrieben. 
Während Menschen auf der Straße leben müssen oder in überfüllten Lagern an Europas Außengrenzen auf engstem Raum ausharren, werden Wohnungen in Deutschland absichtlich leer gehalten. Mieten explodieren, in zahlreichen Städten schießen schicke Neubauten aus dem Boden und verdrängen die, die sich das eben nicht leisten können. Besetzte Häuser wie die #luwi71 oder die #liebig34 werden mit einem überzogenem Bullenaufgebot geräumt, Wälder, wie der Dannenröder Wald #dannibleibt oder der Hambacher Forst #hambibleibt werden für neue Autobahnen oder klimaschädliche Braunkohle gerodet. Nazis morden immer öfter und ihre Gewalt wird alltäglich. Rechte Hetze ist massentauglich und der Staat schaut weg.  An Aufklärung und einem angemessenen Gedenken wird kein Interesse gezeigt. Also liegt es wiedereinmal an uns. 
Wir wollen der rechten Gewalt etwas entgegensetzen und nicht hinnehmen, dass unsere Freund*innen in Angst leben müssen! Wir wollen nicht wegschauen bei Angriffen und fordern Aufklärung von rechten Straftaten und die Aufdeckung von rechten Netzwerken!
Kommt am 24. Oktober um 16:30 Uhr zur Demo am Südplatz und schließt euch gerne unserem Jugendblock an!
Beteiligt euch an den Aktionswochen zum Gedenken an die Opfer rechter Gewalt!
Macht Bilder eurer Aktionen und Beiträge und veröffentlicht sie auf de.indymedia.org und Social Media. Nutzt die Hashtags #NiemandIstVergessen, #KamalK #le2410
Schickt Fotos und Videos eurer Aktionen an niemandistvergessen@riseup.net und initiativkreis@riseup.net
Niemand ist vergessen, Nichts ist vergeben!
Rechten Terror bekämpfen!
Fight for your future!
Wir verwenden bei rechten TäterInnen das Binnen-I, da es laut ihrer Ideologie/Selbstverständnis lediglich zwei biologische Geschlechter gibt. Das „*“ verwenden wir bei allen weiteren Akteur*innen, um die in der Gesellschaft verankerte Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeit aufzubrechen.