Leipziger Meuten

Bei der Auseinandersetzung mit Jugendgruppen die sich gegen die Politik Hitlers wehrten, trifft mensch schnell auf die Namen  “Swing-Kids”, “Edelweißpiraten” und die “Weiße Rose”
Diese Jugendlichen übten aktiv und passiv, auf verschiedenen Ebenen, Widerstand gegen das Naziregime, welches ihre Träume und Hoffnungen begraben sollte, aus. So trugen sie beispielsweise Kleidung, die nicht in das gleichgeschaltete Weltbild der Nazionalsozialist*innen passte, hörten amerikanische Swing-Musik oder riefen mithilfe von Flugblättern zum Widerstand auf. Doch auch hier in Leipzig, gab es Gruppen, die sich nicht in das Weltbild der Nazis einfügen wollten.  Die so genannten „Meuten“ waren Jugendliche wie wir, aber geboren in eine kalte Zeit. Sie trafen sich in ihren Stadtvierteln um gemeinsam Zeit zu verbringen. Häufig kamen sie aus proletarischen Elternhäusern und waren vor 1933 in sozialdemokratischen oder kommunistischen Jugendgruppen organisiert, welche sich im Zuge der Verbotswellen nach Hitlers Machtergreifung auflösten. Die Cliquen trafen sich an zentralen Orten in ihren Vierteln, so gab es in Lindenau die Meute „Reeperbahn“, die sich in der Schlageterstraße, der heutigen Georg-Schwarz-Straße traf, in Reudnitz  gab es die Meute „Lilie“ welche sich am  Bernhardiplatz getroffen hat oder in Kleinzschocher die Meute „Hundestart“, welche nach dem Friedhof, an dem sie sich trafen, benannt war. Im Leipziger Süden gab es die Meute „Arndtstraße“ und eine Clique, die sich vor dem Union-Theater, dem heutigen UT Connewitz, in der Wolfgang-Heinze-Straße trafen. So gab es in dem Zeitraum zwischen 1937 bis 1939 ca 1.500 Jugendliche,  die in den Meuten organisiert waren. Ungefähr ein Viertel bis ein Drittel waren Mädchen* und junge Frauen*.  Auch äußerlich unterschieden sich die Meuten-Mitglieder deutlich von den uniformierten Hitlerjugend-Angehörigen. So werden in einem Gestapo-Bericht vom 9. Mai 1938 die Outfits der Meuten folgend beschrieben: „im Sommer Bundschuhe, weiße Kniestrümpfe, äußerst kurze Lederhosen, bunt karierte Schihemden, Koppel und im Winter Bundschuhe, weiße Kniestrümpfe, besonders lange Knickerbocker- bzw Louis-Trenker-Hosen und graue Slalom-Jacken…Auch Mädchen kleiden sich in entsprechender Weise, indem sie zu den der übrigen Ausrüstung einen dunklen Rock tragen. In der warmen Jahreszeit konnten sie sogar stellenweise ebenfalls in kurzen Lederhosen angetroffen werden.“ Als weiteres Erkennungszeichen trugen die Meuten-Mitglieder oft einen Totenkopf-Anstecker an oder die Buchstaben „BJ“ für „Bündische Jugend“ an ihren Jacken. Sie verbachten viel Zeit miteinander  und organisierten gemeinsame Ausflüge am Wochenende in die Natur. Dabei übernachteten sie in Jugendherbergen oder zelteten beispielsweise an den Lübschützer Teichen. Bei diesen Ausflügen wurden dann zum Beispiel alte Lieder aus den verboten Jugendgruppen gesungen oder über die politischen Vorstellungen diskutiert. Aber auch in der Stadt informierten sich die Jugendlichen und hörten zusammen „Radio Moskau“ um Nachrichten,  die außerhalb der Nazi-Propaganda lagen, zu erhalten oder diskutierten in den Kneipen, in denen sie sich trafen.   Sie wurden aber auch direkt gegen die Jugendorganisationen der Nationalsozialisten aktiv und zerstörten beispielsweise Schaukästen der HJ und NSDAP, unter anderem in der Adolf-Hitler-Straße, der heutigen Karl-Liebknecht-Straße. Es wurden auch Flugblätter gedruckt und verteilt. So berichtet Werner Wolf, ein Mitglied der Meute Reeperbahn, von Flugblättern mit der Aufschrift „Weg mit Hitler“ oder „Wir möchten keine Soldaten werden“, die hergestellt wurden.
Durch ihre Kleidung waren die Meuten leicht zu erkennen und so kam es auch immer wieder zu handfesten Auseinandersetzungen mit dem HJ-Streifendienst. Es wurde aber auch gezielt  die Auseinandersetzung mit den Faschisten gesucht und so kam es beispielsweise zu Schlägereien während der Kleinmessen oder bei dem „Hermann-Göring-Heim“ der HJ, nahe dem heutigen Zentral Stadion, wurden im Frühjahr 1939 die Scheiben eingeschlagen. Doch die Repressionen des Staatsapparates ließen hier nicht lang auf sich warten und so kam es besonders in den Jahren 1938/39 zu Verhaftungen. Es sind etwa 100 Verurteilungen bekannt. Als Beispiele seinen hier Willy Prüfer und Heinz Krause, von der Meute Hundestart, genannt, welche zu Gefängnisstrafen von acht bzw. sechs Jahren verurteilt wurden. Weitere Jugendliche wurden über mehrere Monate eingesperrt und ebenfalls zu Gefängnisstrafen oder Zuchthausstrafen verurteilt. Teilweise wurde Jugendliche im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert, andere wurden ohne Prozess eingesperrt und erst durch eine im Jahr 1939 verhängte Amnesie, wieder frei gelassen. Mit Kriegsbeginn wurden einige über volljährige Meuten-Mitglieder zum Kriegsdienst eingezogen.
Die Leipziger Meuten zeigen uns, dass sich nicht alle Jugendlichen zu Zeiten des Nationalsozialismus in das gleichgeschaltete Weltbild einfügen lassen wollten und Widerstand nicht unmöglich war. Durch das öffentliche Auftreten, durch ihre Kleidung klar zur HJ abgegrenzt, konnten sie hier in Leipzig einen Gegenpol zum Weltbild der Faschisten für sich aufbauen.